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Da ich mich hin und her wende und Ava vom Schlafen abhalte, bittet sie mich zu lesen. Noch mehr Christian Siefkes, für das Gefühl, dass auch hier zu Hause möglich wäre.


Seltsamerweise galt der Haushalt früher scheinbar als unproduktiver Bereich, wo nur das familiäre Leben und sogenannte reproduktive Arbeiten wie Kochen, Putzen, Kinder betreuen, Alte pflegen stattfanden. Letztere wurden oft den Frauen aufgedrückt, während sich die Männer auf dem Sofa lümmelten oder in die Fabrik oder ins Büro flüchteten. Heute würden sich die Frauen so etwas nicht mehr gefallen lassen.

Das Putzen wird mittlerweile von Haushaltsrobotern erledigt, die langsam durch alle Zimmer krabbeln und klettern, um alle Oberflächen von Staub, Schmutz und Keimen zu befreien. Zum Essen sind vorgekochte Mahlzeiten beliebt, die man oft noch nach eigenen Vorlieben würzt und mit Soßen und anderen Kleinigkeiten anreichert, ansonsten aber nur noch warm machen muss. Um die Kinder und die Alten kümmern sich alle, aber das findet nicht speziell im einzelnen Haushalt statt. Und schon gar nicht in abgetrennten Institutionen, wie es sie früher gegeben haben soll („Kindergärten“, „Schulen“ oder „Altersheime“ genannt). Dort kamen die Kinder stundenlang und die Alten sogar jahrelang fast nur mit ihresgleichen und professionellen Betreuirn zusammen; vom Rest des Lebens waren sie abgeschnitten.

In jedem größeren Haus oder Wohnzusammenhang leben alte Menschen und die anderen Bewohnirn kümmern sich um sie, soweit dies nötig ist. Das ist Gemeinschaftssache, nicht Aufgabe Einzelner, schließlich will jedir weiter teilhaben können, wenn sei irgendwann Pflege braucht, und nicht aus seisen Zusammenhängen herausgerissen werden. Kinder werden nicht nur von ihren Eltern, sondern auch von älteren Kindern und Erwachsenen in der Nachbarschaft betreut. Diese nehmen sie in ihre Projekte mit, wo sie vor Ort lernen können, was die Älteren machen, und sich Fähigkeiten und Kenntnisse aneignen. Oft nehmen Mentorein die Neuen an die Hand, egal ob es Erwachsene sind oder Kinder, die nur mal reinschnuppern wollen.

Daneben gibt es Lernknoten, wo sich Leute gezielt zum Lernen und zum Fähigkeitserwerb zusammenfinden. Die unterscheiden sich aber deutlich von den Schulen von einst, wo es nicht darum ging, dass sich Leute gleich welchen Alters mit dem auseinandersetzen, was sie interessiert, sondern wo Kinder zur Beschäftigung mit Themen, auf die sie keinen Einfluss hatten, gezwungen wurden. Dass die Motivation und damit die Freiwilligkeit einer der wichtigsten Faktoren für den Lernerfolg ist, war den Menschen damals wohl nicht klar. Sie scheinen gedacht zu haben, dass Kinder nicht schreiben und nicht rechnen lernen würden, wenn man sie nicht dazu zwingt. Dabei lernten sie doch immer schon und ohne Zwang sprechen, was sicher nicht einfacher ist!

Quelle: „etwas fehlt. Utopie, Kritik und Glücksversprechen.“ von jour fixe initiative berlin (Herausgeber), Edition Assemblage (2013)

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